Die Entdeckung der Weiblichkeit
beim orientalischen Bauchtanz auf Mallorca
Ich fahre in die Calle Padre Francisco Molina in Palma und parke auf dem vorher (beim Universum) bestellten Parkplatz direkt vor der Tür. Das Rolltor ist auf und der Eingang sieht schon sehr orientalisch aus. Ich steige aus und bereits auf der Straße riecht es wie in Marroko. Dieser besondere Geruch der Räucherstäbchen – ich liebe ihn und fühle mich direkt willkommen.
Ich öffne die Tür zur „Academia de Danza del vientre“ von Helwa. Hinter dem Perlenvorhang spielt die typische Musik, die ich immer stark mit meinen Urlauben in Ägypten verbinde.
Heute ist Kurs für die Fortgeschrittenen. Ich ziehe meine Schuhe und Socken aus, denn hier wird barfuß getanzt. Die sieben Teilnehmerinnen sind schon voll in ihrem Element. Gerade als ich reinkomme, singen sie gemeinsam den Rhythmus und üben dabei die Choreographie für das nächste Spektakel.
Ich schaue mich um und sehe ganz verschiedene Frauen.
Jede Figur ist hier vertreten: der Apfel, die Birne und auch die Bohnenstangen. Mit Bauch, ohne Bauch, kurze Haare, ganz lange Haare, jedes Alter und eins sehe ich sofort: sie haben alle große Freude an der Bewegung und ein völlig selbstverständliches Gefühl für ihren Körper. Sie strahlen alle etwas besonderes aus, dass ich nur schwer in Worte fassen kann.
Ich versuche mich mit meiner Kamera so unauffällig wie möglich im Raum zu bewegen – schwierig bei so vielen Spiegeln, aber die Damen sind völlig vertieft in ihre Arbeit. Schon nach wenigen Minuten nehmen sie mich gar nicht mehr wahr.
Die Tänzerinnen sollen einen neuen Rhythmus lernen, deshalb greift Helwa zur Trommel. Darbuka oder Tabla heißt das kleine Ding, das sich Helwa auf den Schoß legt.
Bumm, tick, tick, Bumm, tick, tick, Bumm … eigentlich sehr eingängig. Ich mache einfach mit.
Der Rhythmus der Füße, das Geklimper der um die Hüften gebundenen Tücher. Obwohl das hier nur ein Training ist, sehen alle so zu Recht gemacht aus. Ich frage mich, ob die Frauen sich extra für mich so schick gemacht haben. Doch dann erinnere ich mich an Helwa´s Worte von unserem ersten Treffen.
„Wir machen uns schön für uns selbst. Um die Wertschätzung für uns und unseren Körper zu zeigen.“
Für mich – die Anfängerin – ist es anstrengend.
Diese Bewegungen der Hüfte, die Arme, die immer elegant in der Höhe halten. Da meldet sich mein Rücken. Muskeln, die ich sonst gar nicht brauche. Aber es macht großen Spaß. Für die verführerischen Blicke, die die Damen sich selbst beim Tanzen zu werfen, dafür habe ich noch gar keine Zeit. Ich bin viel zu beschäftigt mit der Kooperationen meiner Arme und Beine.
„Das sich selbst beim tanzen angucken, ist das Wichtigste! Du musst immer zu allererst dir geben, bevor du anderen geben kannst.“
sagt Helwa und alle Frauen in der Runde nicken. Sie hat so Recht. Ich muss zuerst mich lieben und gerne anschauen, bevor ich es „ertragen“ kann, dass andere meinen Körper anschauen. – Und genau darum geht es beim Bauchtanz auf Mallorca ja. Dieser Tanz ist gemacht, um bei Aufführungen präsentiert zu werden. Kaum eine Frau tanzt hier, die bei diesen Spektakeln nicht mitmachen will.
Niemand schwitzt – wie kann das sein?
Das mitreißende, schwungvolle Stück ist bestimmt 5 Minuten lang. Nach 2 Minuten möchten meine Arme lieber wieder runterhängen als anmutig durch die Luft zu schweben.
Ich komme mir vor wie ein kleines Trampeltier, weil die Mädels hier sich alle so anmutig bewegen. Aber ich halte durch, schließlich ist es ja mein erstes Mal.
Helwa – die ehemalige Flugbegleiterin hat diese Schule seit fast 15 Jahren. Einige der Tänzerinnen sind schon seit 11 Jahren dabei.
Gott sei Dank redet Helwa zwischendurch viel über Bauchtanz. Die Tanzstunden sind auch immer eine Leerstunde in Geschichte und Theorie des Bauchtanzes und vor allem natürlich in Sachen Rhythmen. Helwa erklärt viel kulturelle Hintergründe und gibt den Frauen und mir dadurch mehr Zugang zu dem was sie da tun.
„Eigentlich hat der Bauchtanz wenig Element – es ist die Kombination der einzelnen die die Bauchtänzerinnen bis zu einer halben Stunde tanzen läßt, ohne die Zuschauer zu langweilen.“
Alles will gelernt sein. Die Position der Füße. Der Hände, des Kopfes, der Schultern, ALLES
Die Choreographie wird immer schwerer, aber für die Damen ist das alles ein Kinderspiel – so scheint es.
Immer wieder schaue ich mich bewundernd um. Die Tänzerinnen beeindrucken mich: So elegant – so selbstbewusst.
Als ich nach der Tanzstunde frage, was die Schülerinnen am meisten an Bauchtanz und an Helwa schätzen, sagen alle:
„Sie hat uns gelehrt uns selbst zu lieben – so wie wir sind. Der Bauchtanz gibt ein Selbstbewusstsein, dass wir so vorher nicht hatten. Die Menschen um uns herum merken das. Wir verändern uns. Wir laufen anders. Wir geben uns anders. Wir fühlen uns anders.“
Ich glaube, genau das ist es was diesen Tanz ausmacht. Egal wie du aussiehst, wenn du dich hübsch machst, deine Körper liebst und den Rhythmus aufnimmst, dann kannst du alle in deinen Bann ziehen.
Nach 2 1/2 Stunden ist die Luft sichtbar verbraucht. Und mein Parkticket abgelaufen. Doch bevor ich gehen darf, erzählt mir Helwa, dass die Frauen einen großen Auftritt bei den Umzügen zu „Los Reyes“ (Dreikönigsfest) in Palma haben werden. (Am 5.1. … den Weg und mehr Infos kannst du hier sehen. )
Eigentlich muss ich gehen, aber ich habe noch so viele Fragen.
Wie ist die Frau hinter der Kunstfigur Helwa?
Ich traue mich gar nicht recht nach ihr zu fragen, aber ich bin neugierig auf ihren richtigen Namen. Viviane heißt sie. Geboren wurde sie in Rio de Janeiro, Brasilien und sie lebt seit 15 Jahren auf Mallorca. Sie liebt es hier zu leben.
„Hier kannst du nachts die Straße entlang laufen, ohne um dein Leben zu fürchten. Die Menschen haben keine Ahnung wie gut sie es hier haben. Eigentlich hätten alle Menschen auf dieser Welt ein Recht auf diese Sicherheit, aber da wo ich herkomme, da gibt es die nicht. Das vergessen viele. Ich schätze das sehr, denn ich kenne es auch anders.“
Ist Viviane auch so extravagant wie Helwa? will ich wissen.
„Auf jeden Fall. Mein größter Fehler ist, dass ich nie abschalte. Mi trabajo es mi vida. (Meine Arbeit ist mein Leben).“
sagt sie und lacht. Je länger ich mit ihr spreche, umso mehr spüre ich, dass Bauchtanz für sie tatsächlich der Sinn ihre Lebens ist. Jede Reise – jeder Gang ins Kino – alles was sie sieht, wird übersetzt in Tanz.
Außerdem lebt sie auch außerhalb ihrer Schule nach den drei wichtigsten Regeln des Bauchtanzes:
- immer hübsch aussehen
- auf den Körper achten
- und immer schön im Takt bleiben
Ich bin kurz irritiert, doch dann steht sie auf und begleitet mich zur Tür. Neben dieser beeindruckenden Frau und ihrem eleganten, femininen Gang komme ich mir wieder vor wie ein kleines Trampeltier. Und da habe ich es plötzlich verstanden:
Jeden Schritt den sie macht, macht sie achtsam und bewusst im Takt ihres Herzens.
Hast Du auch schon mal Bauchtanz auf Mallorca ausprobiert?
Und gib meinem Video einen Daumen hoch, wenn es Dir gefällt!
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