Teuer – aber trotzdem eine Reise wert? Der Rote Blitz von Palma nach Soller.
Hallo liebe Mallorca-Talks Leser!
Meine Freundinnen Ute und Anja haben im Mai Urlaub bei mir gemacht. Und Ute veröffentlicht jetzt hier für EUCH ihre Tagebucheinträge. Viel Spaß beim Lesen!
Tagebuch einer Best-Ager-in: Ute und „der rote Blitz“
von Ute Driesen
1. Tag – geheim ?
- Tag „Der rote Blitz“ und die Fahrt ins Tal der Orangen – und Zitronenhaine
Mallorca ist tatsächlich sehr reich an Attraktionen in alle Richtungen. Seitdem ich das erste Mal hier war (2002) wollte ich gerne mal eine Fahrt mit dem legendären „Roten Blitz“ von Palma nach Sóller und Port de Sóller machen. Bisschen spießig, da auf jeden Fall eine Touristenattraktion, die es zu erleben und erledigen gilt.
Babsi stimmte zu da sie selbst als quasi Einheimische diese Fahrt bisher abgelehnt hatte. Anja (mit der Reisekrankheit) wurde überzeugt. Das Wetter war immer noch bescheiden. Nichts für Strandlaken und sich brutzeln.
Früh am Morgen (Anmerkung der Red.: HAHAHA … es war so gegen 9 – denn um 10.10 Uhr fährt der erste Zug) zogen wir also aus, dieses Highlight zu erleben.
Die Bahn wird seit 103 Jahren mit den original historischen Waggons und Loks betrieben. Im Sommer zieht sie sich im Stundentakt durch eine atemberaubende Landschaft bis nach Sóller vorbei an Olivenplantagen durch das Tramuntana Gebirge und schließlich hinab nach Sóller.
„Der rote Blitz“ wurde seinerzeit als genossenschaftliches Projekt der Bauern des Ortes gebaut, um endlich eine direkte Verbindung für den Transport von Früchten (meist Orangen und Zitronen) nach Palma zu erlangen. Dies war zuvor nämlich nur über den Seeweg möglich!
Nach größeren Problemen einen Parkplatz zu finden, steigen wir ein und der Zug fährt los.
Rechts und links der Bahnstrecke wachsen irgendwann die Zitronen und Orangen, Aprikosen zwischen Bougainville Hecken und beeindruckenden Oleanderbüschen. Ein bisschen Garten Eden, Überfluss im Paradies. Wer keine Zeit hat seine Früchte zu ernten, der lässt sei einfach liegen.
Der rote Blitz rappelt im Takt auf den hundert Jahre alten Schienen.
Datadum, datadum, datadum..
Ein Rhythmus der ein bisschen meditativen Einfluss auf meine Sinne hat. Wieso sie ihn ausgerechnet „der rote Blitz“ nennen ist mir ein Rätsel – denn diese Fahrt ist alles andere als „blitzartig“.
Der antike Zug ist vollgepfropft mit Menschen aus aller Herren Länder. Ein buntes Sprachengewirr herrscht überall mit allen bekannten Effekten der digitalen Begleitumstände, sprich jeder zweite (mindestens) ist im Vollrausch der Bildersammler. Wer will später all diese Pixel sortieren und sehen? Wir machen natürlich mit: Handys und Fotoapparate klicken um die Wette. Vor Urzeiten hätten wir nach 36 Bildern den Film gewechselt und man hätte uns für verrückt erklärt mit mehr als 3 Filmen aus dem Urlaub zurück zu kommen. Aber heute nehmen wir alles mit. Selfies mit drei lachenden Frauen 35-46-57 inklusive.
In Sóller steigen wir direkt um in die Tram, die nochmal 20 Minuten bis nach Port de Sóller rattert. Auch historisch, aber nicht mehr alle original. Einige Wagons wurde zunächst in Lissabon genutzt und später nach Mallorca importiert.
Unsere arme Anja leidet ein bisschen unter Reisekrankheit und wir müssen uns immer wieder heimlich nach ihr umschauen. Aber scheinbar war der Reise- Rhythmus des vorigen Jahrhunderts verträglicher und sie bleibt entspannt.
In Port de Sóller angekommen
Plötzlich reißt der Himmel auf und wir können endlich unsere blassen Köpfe in den kühlen Wind halten, jeden Sonnenstrahl begierig aufsaugend. Wir kaufen Empanadas (gefüllte Mürbeteigbrötchen mit Hähnchen-Zwiebel oder Erbsenmischung). Überraschend lecker. Dazu Aprikosen und Erdbeeren mit der nötigen Süße zum Nachtisch.
Unsere Siesta halten wir oberhalb von Port de Sóller mit dem phantastischen Ausblick auf den Hafen, über den vor Urzeit die Mauren nach Mallorca eindrangen und die Insel einnahmen.
Hunger ist gestillt, da ruft wieder jemand: „Pipi“ und die nächste „kalt“. Wo sind das nächste Klo und die nächste Bar in der Sonne mit Kaffee. Gesucht gefunden. Direkt am Hafen. Wir lassen uns eine halbe Stunde die Sonnenstrahlen auf den Kopf brennen.
Bevor es wieder zurück geht nach Sóller müssen wir in einem richtig netten Schnickschnack-Laden unbedingt stöbern – mit Erfolg: Wir kaufen Bilderrahmen, Schüsseln, Taschen, Geschenke für die Kinder. Alles schön. (Anmerkung der Red.: Im Sa Posada de L´Artesà gibt es wirklich einen MENGE toller Sachen zu sehen und zu kaufen. Nicht nur Touristen-Napp-Zeug.)
Dann steigen wir wieder in die Tram.
Wir wollen noch ein wenig wandeln in Orangen – und Zitronenhainen. Während der Fahrt kommt Babsi mit dem „Zugbegleiter“ Manuel ins Gespräch. Kontaktfreude gepaart mit Vielsprachigkeit ist in unserer Welt ein echter Türöffner. Das gilt auch für mallorquinische Fahrkartenkontrolleure.
Ich habe den Eindruck, dass er ihr innerhalb weniger Minuten sein ganzes Leben erzählt. Hat er auch – wie sich später herausstellte: Schon sein Papa und auch sein Opa waren Zugführer in dieser Bahn. Er hat sein ganzes Leben – 44 Jahre immerhin – hier in dieser Straßenbahn verbracht. (Anmerkung der Red.: „Ich bin in diesem Zug geboren“ antwortete er auf meine Frage wo er denn her sei.)
Babsi übersetzt uns zwischendurch: Er sei ein begeisterter Eisenbahner, hat sich Züge in der ganzen Welt angeguckt und „probiert“. Von deutschen und schweizer Eisenbahnen war er besonders begeistert – vor allem so günstig, sagt er. Außerdem ist er bis heute begeistert von der regelmäßigen Taktung und dem gut ausgebauten Schienennetz „bei uns“.
Noch ist die Tram nicht sehr voll. „Im Hochsommer ist das anders“, erzählt Manuel und ärgert sich ein bisschen über die hohen Preise für die vergleichsweise kurze Strecke. Gerade bei Eltern mit Kindern würde er sich manchmal ein bisschen schämen, den Preis von 5,50 € pro Nase und Strecke aufzurufen. Kann sich definitiv nicht jeder leisten.
Die Bahn stoppt zwischendurch für einen Gegenzug – Ungeduld ist hier ein falscher Berater. Gelassenheit hilft immer. Babsi nutzt die Zeit, sich weiter mit Manuels Erklärungen und Erzählungen zu beschäftigen. Langeweile – nein. So bekommt man ganz nebenbei einen Reiseführer inklusive.
Wieder in Sóller gehen wir durch die Altstadt vorbei am zentralen Platz und der gigantischen Kirche Sant Bartomeu (Anmerk. der Red.: die Fassade wurde 1904 von einem Gaudí Schüler konzipiert. Joan Rubí i Bellver hatte Antoni Gaudí bei der Restaurierung der Kathedrale in Palma geholfen und auch die „banco de Sóller“ links neben der Kirche hat er entworfen.). Kinder spielen am Brunnen und Touristen sitzen in unzähligen Cafés rund um den Platz. Die Sonne hat sich ihren Platz am Himmel zurück erobert.
Wir verlassen die Hauptstraße voller Touristen und gehen in eine kleine unscheinbare Gasse. (Anmerkung der Red.: Fernab der Hauptstraßen sind die Tapas immer besser. Dort müssen die Restaurants und Bars nämlich um jeden Kunden kämpfen.) Wir wollen eine kleine Pause in einer typischen Tapas Bar machen. Weil das „Can Pintxo“ zu hat, gehen wir nebenan in die „Casa Alvaro“ und freuen uns dort über die schön angerichteten, kleinen Köstlichkeiten.
Lecker… die Klassiker: Pimientos del Padron und auch die Patatas Bravas überzeugen selbst Babsi.
Jetzt bewegen: Mini-Wanderung machen!
Der Weg hinaus aus Sóller führt wieder ein wenig hoch in hügelige Landschaft, gesäumt von groben Steinmauern, gusseisernen Toren zu Fincas, Mauern und Eingangstore zu Landhäusern sind gekrönt von Bougainvilleas in allen Farben von Gelb über Magenta und leuchtendes Rot, die in üppigen Ranken in der Sonne funkeln.
Dazwischen Olivenhaine und dann die Orangen- und Zitronenbäume, die ihre reifen Früchte zur Schau tragen. Die Stille um uns herum zwischen den hellen, mit Blumen dekorierten Steinhäusern und die vielen Düfte und Aromen der Pflanzen begeistern mich.
Ein paar kleine schwarze Hunde begegnen uns, wohlwollend und Schwanz wedelnd laufen sie einige Zeit neben uns her. Bevor er zielsicher zuhause sein Herrchen mit Gehstock begrüßt. Wir gehen langsam und genießen. Es geht ganz leicht bergauf.
Etwas höher gelegen kommen wir in das Dorf Biniaraix.
Eine breite steinerne Treppe führt steil nach oben und wir wollen mal wieder eine Pause einlegen. Babsi verspricht uns ein hübsches Café am Ende der Treppe. Geschlossen. Enttäuscht kehren wir um. Ein braun gebrannter hübscher Engländer im besten Alter mit geschultertem Rad begegnet uns. Babsi fragt nach und er beschreibt uns den Weg zur Bar de Bodega von Biniaraix – „Nice place to be“ sagt er. Und er hat Recht.
Das ganze Ambiente rund um Biniaraix veranlasst mich zu poetischen Ausrufen:
„Die Schönheit hier um mich herum verursacht Schmerz in meiner Seele“
Woher kommt denn dieser plötzliche Anfall von Romantik? Tief verborgen in mir habe ich Bilder, die mich glücklich machen. Und diese überreiche Fülle an Bildern, Blumen, Farben und Düften, gepaart mit jetzt endlich wärmender Sonne lösen wirklich etwas in mir aus. Sehnsucht nach mehr. Phantasien von einer eigenen Finca auf Mallorca inklusive. Naja, Träumen muss erlaubt sein.
Nach einem köstlichen frisch gepressten Orangensaft machen wir uns langsam auf den Rückweg, im Zickzack die Treppen hinunter (wie gestern gelernt), plötzlich wieder den Schatten suchend weil die Sonne ohne Wolken am Himmel im Mai doch eine erstaunliche Kraft hat.
Wieder zurück in Sóller bewegen wir uns gemütlich in Richtung Bahnhof um den letzten Zug zurück um 18.30 Uhr nicht zu verpassen, nicht ohne den einen oder anderen obligatorischen Blick in die Geschäfte am Rande der kleinen Straße.
Meine Füße melden sich und wollen endlich in Ruhe gelassen werden.
Ich bin total erschöpft und freue mich auf einen entspannten Abend mit meinen Mädels. Ob wir heute noch Energie für mehr haben, weiß ich nicht. Muss aber auch nicht sein. Man darf dankbar sein.
Gracias, Adios, Hasta la proxima!
Eure Ute
_____________________________________________________________________________________________________________
Für Nachahmer alle wichtigen Infos:
Die Fahrt mit dem historischen Zug und der Tram ab Palma bis Port de Sóller und zurück kostet als Kombi- Ticket EUR 30,00. Keine Ermäßigung für Kinder!
Parken in der Nähe des Bahnhofs ist ziemlich teuer (Tagesticket ca. 20 EUR). Mit dem Bus anreisen ist auf jeden Fall billiger. Man kann natürlich auch mit dem Auto durch den Tunnel nach Sóller gelangen, das kostet jeweils EUR 5,05 Maut pro Strecke und außerdem ist das eben nicht „der rote Blitz“.
In Port de Sóller lohnt sich der Ausblick vom hoch gelegenen Museum de la Mar auf den Hafen, das offene Meer und das Umland.
Reichlich Cafés laden zum Verweilen ein. Eine gute Reisezeit ist auf jeden Fall Mai, da sind noch überall Plätze frei. Und man hat in aller Regel noch erträgliche Temperaturen für Bewegungsaktivitäten.
Pingback: Das Lofthotel Canet: Ute im Paradies - mallorca-talks.com
Pingback: Markt in Sóller - mallorca-talks.com
Pingback: Rundwanderung auf den Puig de Sa Gubia - mallorca-talks.com