Jetzt ist der richtige Zeitpunkt!
Vegan leben heißt Tierleid verhindern
Ich weiß noch, ich saß gerade im Club Natura und hab mein Interview mit Claudia gemacht. Da kam ein großer, bärtiger Mann rein. Als Patrick vom“ Lo Vegano“ stellte Claudia ihn mir vor. Lange habe ich den damals noch winzigen veganen Supermarkt in der Altstadt von Palma nicht gefunden. Doch dann war ich nur noch begeistert: Von Agavendicksaft über Hundefutter bis Mayonnaise gab es dort alles, was das Veganerherz begehrt. Mittlerweile müssen Veganer, Vegetarier und alle, die Tierleid verhindern möchten, nicht mehr lange suchen: Seit ein paar Monaten ist das „Lo Vegano“ direkt an der Carrer de Caro in Santa Catalina.
Für Mallorcatalks hat sich Sarah Zeit genommen und ihren Laden für einen Fruchtsaft mit mir verlassen. Patrick mussten wir leider zurück lassen – einer muss ja auf´s Geschäft aufpassen.
Interview mit Sarah V Schell* – der Seele vom Lo Vegano
Sarah– erzähl mir doch ein bisschen von dir und Patrick, bevor ihr nach Mallorca gekommen seid.
Wir kommen beide aus Koblenz. Aber witzigerweise waren wir auch zur gleichen Zeit weg: Ich habe 10 Jahre in Mailand gelebt. Er auf Mallorca. Und dann sind wir gleichzeitig zurück. Er ist allerdings ins Erzgebirge gezogen und wollte nie wieder nach Mallorca zurück. Als selbstständiger Dachdecker hatte er in den Jahren so viel Sonne gekriegt, dass das für ein ganzes Leben reicht. (Sarah lacht. Ihr hübsches sommersprossiges Gesicht strahlt, wenn sie von Patrick spricht.)
Und wie habt ihr euch dann kennen gelernt?
Über „Wer kennt wen?“ Das ist so ne Art Facebook, nur etwas anders. Ich bin dann irgendwann zu ihm ins Erzgebirge, aber das war mir zu dunkel. Ich wollte wieder in den Süden.
Ein Wetterflüchtling also!
Ja. Ich bin halbe Italienerin – mein Papa ist Italiener – und ich brauche einfach die Sonne. Patrick hat dann das Angebot bekommen, in seiner alten Firma als Angestellter zu arbeiten, und so sind wir dann im Sommer 2009 nach Andratx gezogen. Nach einer Weile hat Patrick sich dann selbstständig gemacht mit einer Baufirma. Die läuft auch jetzt noch nebenbei, aber es wird weniger.
Und wie seid ihr Veganer geworden?
Ich bin ja schon lange im Tierschutz aktiv und fand, ich bin voll die super Tierschützerin, weil ich im Tierheim geholfen hab. Aber dann hab ich bei Facebook ein Posting gesehen: Stella McCartney hat etwas über Lederherstellung gepostet und das war so schlimm. Dann hab ich weiter recherchiert und dann hat es einfach „Klick gemacht“, und innerhalb von wenigen Tagen war ich Veganerin.
Frei nach dem Motto: Montags noch ein Grillhähnchen gegessen, Freitag vegan, ja?!
Ja, weil wenn man erstmal die Empathie für die Tiere empfindet, dann geht das von einem auf den anderen Tag.
Und? War das nicht schwer so plötzlich?
Doch – das sag ich auch jedem. Ich hab richtig gelitten. Ich hatte immer Berge von Fisch gegessen, und als mir klar wurde, dass ich NIE WIEDER Tiramisu essen würde – das war schlimm für mich. Alles, was mein Papa immer gekocht hat – die leckere Carbonara. Ufff. Ich hab zwei Tage am Stück geheult. Aber ich konnte das nicht mehr essen. Ich hatte einen Ekel. Und meine ganzen Schätze – meine Schuhe, meine Taschen … das hat mich drei Nächte gekostet. Ich war hin und her gerissen zwischen Wut, Ekel und Trauer um meine Schätze. (Sie schlägt die Hände vor die Augen) Wie viele Italienurlaube ich mit meinem Shopping ruiniert habe, und jetzt würde ich sie alle aus meinem Kleiderschrank verbannen. Ich war erschrocken, wo überall „Made in India“ darauf stand. Und ich wusste ja nun – gerade dort wird den Tieren bei vollem Bewusstsein das Fell abgezogen. Das ist unvorstellbar schrecklich. Mittlerweile ist das überhaupt kein Problem mehr: Mein veganes Tiramisu zum Beispiel ist ein Traum, und kaum vom Original zu unterscheiden!
Und was war mit Patrick?
(sie lacht) Er war gerade in Deutschland, und ich hab ihm natürlich am Telefon schon alles erzählt und er hat immer gesagt: „Ja, ja. Jetzt ganz ruhig, und ich komm erst mal zurück und dann gucken wir mal.“ Und als er dann zurückkam, hab ich ihm die Videos gezeigt, und er hat von einem Tag auf den anderen gesagt – BUM,ich höre auf.
Das wäre sonst auch sicher schwierig geworden mit euch beiden.
Ja. Ich bin total froh, dass es so gekommen ist. Wir haben darin jetzt auch unsere gemeinsame Aufgabe gefunden.
Das stimmt. Man merkt, wie ihr beide für das Thema brennt, und ihr habt ja auch häufig Diskussionen über das Thema – auch im Lo Vegano an der Kasse z.B.
Ja. Vieles ist Aufklärungsarbeit. Und wir reden halt – wir nerven damit auch alle. Und ganz ehrlich: Es ist eine Belastung. Es ist anstrengend. Wir haben ein Stück von unserer Leichtigkeit aufgegeben. Aber so ist das: Egal, wo du hinguckst: Sklavenbefreiung, Emanzipation – es gab immer irgendwen, der unbequem war. Hätte ich die Sachen auf Facebook nicht gesehen, mein Leben wäre sicher anders. Aber ich würde keinen Tag zurückgehen – obwohl es schwer ist und man wie gesagt ein Stück Lebensfreude aufgibt. Vorher war es ja egal, was der Nachbar isst, oder ob der Freundeskreis Grillabende veranstaltet. Heute geht das tief ins Herz.
Trotzdem haben wir so viel gewonnen: Vor allem natürlich Gesundheit. Ich fühle mich so fit wie noch nie und habe richtig viel Energie. Und wir haben so viele wertvolle Menschen kennen gelernt! Dafür bin ich sehr dankbar.
Oft hat man ja das Gefühl, dass Veganer vom Rest der Welt regelrecht gehasst werden, weil sie den meisten zu extrem sind.
Das ist bestimmt so. Aber es ist genug – wir haben den Tieren genug Elend angetan und sie nur für unsern Wohlstand ausgenutzt – es reicht jetzt. Es muss Menschen geben, die bereit sind, für die Tiere zu sprechen. Die können das ja nicht alleine.
Verstehen kann ich die Diskussionen nicht. Veganer schaden ja niemandem. Im Gegenteil – sie tun sehr viel mehr für unsere gemeinsame Umwelt als Tierprodukte-Esser. Ich verstehe auch nicht, warum die Menschen lieber Pillen schlucken gegen die ganzen Wohlstandskrankheiten, als sich vorher zu überlegen, was sie essen.
Es gibt ja immer wieder die Argumente, dass eine vegane Ernährung nicht gesund sei.
Das sind alles Lügen. Wenn man sich ein bisschen informiert, ist das alles kein Thema. Im Gegenteil, eigentlich gibt es nur Pluspunkte. Wir stehen da übrigens gerne beratend zur Seite und beantworten im Laden auch alle Fragen.
Und was sagst du denen, die sagen: Leben und leben lassen?
JA – genau darum geht es ja… die Leute sollen am Leben lassen…..„Lass mich doch“ ist nicht. (Sarah schüttelt vehement den Kopf) Wir sind nicht die besseren Menschen. Ich mach auch Fehler. Und es ist ein Entwicklungsprozess. Was wir sehen, ist, dass im Moment eine unglaubliche Zeit ist – es werden ja immer mehr Menschen Veganer.
Was viele ja noch nicht verstanden haben, ist, dass vegan zu leben eben keinen Verzicht bedeutet.
Genau. Ich hab mich damals erst mal vernetzt mit Veganern, weil ich noch auf der Suche war nach Käse von glücklichen Kühen und so. Die haben mir dann gesagt, dass es ganz gute Ersatzprodukte gibt. Nur halt auf Mallorca damals noch nicht. Durch Onlineshops sind wir auf die deutschen Produkte gekommen, und haben uns überlegt: Wir machen einen Laden auf. Dabei hatten wir keine Ahnung, wie viele Veganer es auf der Insel gibt.
Mutig!
Es haben uns alle gesagt: Ihr habt doch nicht alle Tassen im Schrank. Nur meine Mutter – die hat immer an uns geglaubt und hat uns da auch geholfen mit Startkapital. Sie isst jetzt auch seit 3 Monaten vegan. Hat 14 kg abgenommen und viele ihrer gesundheitlichen Probleme sind weg. Sie hatte früher so schlimme Probleme mit geschwollenen Händen. Jetzt sehen ihre Hände wieder richtig jung aus.
Die Wahl eures Ladenlokals war ja auch etwas abenteuerlich…
Ja – so ein verstecktes Lokal – aber es hat funktioniert! Wir haben am Eröffnungstag um 14 Uhr aufgemacht – und um 13.40 haben die Leute vor der Tür gestanden und gewartet, dass wir aufmachen, und sind dann rein gestürmt direkt auf die Käsetheke zu. Und damit haben wir nicht gerechnet. Wir haben an dem Tag so einen Traumumsatz gemacht. Das konnten wir selber nicht fassen.
Aber weißt du – wir machen alles nach Bauchgefühl.
Und was habt ihr so für Kunden?
Wir haben im Lo Vegano ja hauptsächlich mit Ausländern (also Residenten) gerechnet. Aber Hauptkunden sind tatsächlich Mallorquiner. Viele Vegetarier. Da klären wir dann auch auf, denn die wissen oft einfach nicht, was z.B. bei der Milchproduktion abgeht, oder wie das mit den Eiern so genau ist. Da informieren wir gerne.
Dann kommt doch aber bestimmt immer das Argument „Ja, aber wenn wir von heute auf morgen alle Veganer werden – das geht ja auch nicht.“
Stimmt. Wir sind in einer Situation, wo es viele Tiere gibt – da wäre es schwierig, wieder auf den Naturzustand zu kommen. Aber so, wie wir jetzt leben, ist das doch keine Lösung. Wir zerstören unsere Welt. Der Mensch ist in der Lage, zum Mond zu fliegen – meinst du nicht, es wäre möglich, unsere Intelligenz für ein besseres System einzusetzen.
Wenn´s ums Essen geht, dann kennt der Mensch keine Gnade.
Ein Beispiel: Wir stellen jetzt einen Wagen mit Bretzeln und Schokobrötchen auf den Placa d´Espanya – alles umsonst – da haut der studierte Doktor dem Kleinkind den Ellbogen ins Gesicht, nur um auch was abzubekommen. Da kennen die Menschen gar nichts. (Sarah kriegt Gänsehaut und schüttelt sich)
…. es ist echt der Zeitpunkt.
Deshalb jetzt auch die Vergrößerung eures Ladens?
Ja – wir hatten den kleinen Laden zwei Jahre lang, und dann haben die Kunden sich immer über die Parkplatzsituation beschwert, und außerdem wollten wir auch mehr gesehen werden.
Und weshalb Santa Catalina?
Das ist ganz witzig, denn Santa Catalina war von Anfang an unser Ziel. Der Laden war kurioserweise damals auch frei. Das war der erste Supermarkt auf Mallorca. Hat was, oder?! Jetzt ist es der erste vegane Supermarkt – wo wir zeigen: Es geht auch ohne Tierleid.
Und was ist dein Traum? Wo soll es mit Lo Vegano noch hingehen?
Wir lernen gerade, groß zu denken und zu träumen. Ich hätte gerne irgendwann spanienweit Filialen mit Bistro und Boutique, und vielleicht irgendwo auch ein schönes regelmäßiges Vegan Brunch. Wir wollen irgendwann auch eine eigene Produktion. Wir müssen groß denken!
Wow – cool. Ja, dann wünsche ich euch viel Erfolg!
Ja, danke!
Fotos: mit freundlicher Genehmigung vom Lo Vegano Team / Mallorcatalks
* Das V als Zweitname signalisiert anderen Veganern, dass Sarah vegan lebt. Beispielsweise bei Facebook kann man sich so untereinander schneller finden.
Wo ist das Lo Vegano?
Wann sind die Öffnungszeiten vom Lo Vegano?
Mo-Fr 10:00 – 20:30
Sa 10:00 – 16:00
Das Interview mit Sarah ist für viele provokant und wird sicher einigen von euch „zu weit“ gehen.
Mich interessiert deine Meinung.
Konnten Sarahs Worte dich berühren? Wenn ja – warum? Wenn nein – warum nicht?
Schreib sie mir doch unten in die Kommentare.
Ich behalte mir vor, unangemessene Kommentare nicht zu veröffentlichen.
Mein Blog ist kein Ort für Hasstiraden und persönliche Beleidigungen.
Pingback: Ein Reiter Paradies auf Mallorca: Can Paulino
TOP SHOP!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Hihi … :-) Finde ich auch!
Toller Artikel, gefällt mir gut. Ich habe diesen auf Social Media geteilt und manche Likes hierfür bekommen. Weiter
so!
Das ist ja lieb! Danke!
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