Ich nicke, ertappe mich dabei wie ich die nächsten Worte gar nicht mehr höre – nicht nur weil sie diesen lustigen Mix aus Spanisch und Brasilianisch spricht, sondern weil ich völlig fasziniert bin vom dem Lichtspiel, dass sich beim Reden auf ihren dick bemalten Lippen abspielt. Wieder scheint sie direkt zu merken, was ich denke und plötzlich höre ich sie sagen:
„Wenn meine Schüler so einfach ungeschminkt zum Unterricht kommen. Dann schick ich sie wieder weg.“
Ihre Gesten deuten eindeutig in meine Richtung – ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.
“Weißt du – wir schminken uns nicht für die Männer oder weil wir etwas zu verstecken haben – oder gar wie viele sagen, um eine Maske aufzusetzen. Nein! Wir tun es für uns. Weil wir uns, wenn wir uns schön machen, endlich mit UNS selbst beschäftigen. Wir sind alle Mütter, Ehefrauen, Freundinnen, Schwestern. Wir tun alle soviel für andere. Wir müssen auch mal etwas nur für uns selber tun: Um unsere Mitte zu finden.“
Sie fährt mit der Hand mittig vom Scheitel bis zum Bauchnabel. Hält inne und hat den Blick gesenkt. Es wirkt wie eine Sekunden-Meditation.
Schminken als Meditation – kommt mir in den Sinn – habe ich so noch nie betrachtet.
Helwa blickt jetzt dramatisch von unten herauf wieder in meine Augen. Selbst ihre Art zu Sprechen wirkt wie ein Tanz.
„Manchmal kommen Schüler zu mir, die sich nicht wertschätzen. Die meisten haben keine hohe Meinung von sich selbst, weil sie zu dick sind, oder zu breite Hüften haben oder oder oder. Sie lacht plötzlich, hält mich wieder fest und sagt – „und obwohl ich manchmal den „Bauch“ wirklich mit der Lupe suchen muss. Das sage ich dann auch – ich mache Spaß – wir lachen viel. Und dann sage ich ihnen – guck mal wie schön deine Augen sind. Von wem sind diese Augen?“
Jetzt guckt sie mich so intensiv an, dass mir sofort in den Sinn kommt, dass auch meine Brille schrecklich schmutzig ist und sie meine Augen wahrscheinlich nur erahnen kann.
„Oft sagen sie – ich weiß es nicht. Nicht von meinen Eltern. Dann erkläre ich ihnen. Diese Augen sind von deinen Vorfahren. Deiner Großmutter, deinem Urgroßvater – den Menschen, die hart gearbeitet haben, damit du heute hier sitzt. Deine Augen sind dein Erbe, deine Wurzeln. Du solltest sie ehren. Nächstes Mal kommst du wieder und hast deine Augen schön angemalt, aus Respekt und Wertschätzung für deine Vorfahren. Beim nächsten Mal kommen sie dann ganz toll geschminkt und herausgeputzt zur Tanzstunde.“
Ich werde nachdenklich und sehe plötzlich keine aufgedonnerte Primadonna mehr vor mir, sondern eine Frau, die sich wertschätzt, die weiß woher sie kommt und die ihre ganz eigene Geschichte ehrt.
Plötzlich steht Helwa auf und beginnt mit den Hüften zu kreisen. Sie beschreibt eine 8 mit ihrer Hüfte. Dabei erklärt sie:
„Guck mal. Wir haben zwei Hälften: Die männliche und die weibliche. Unseren Vater und unsere Mutter. Da wo die beiden sich treffen – da sind wir.“
Sie hält im Zentrum der Acht inne. „Diese Übung machen wir als erstes. Die Hüfte kreisend nach vorn zur Seite der Mutter – dann des Vaters. Ich sagen meinen Schülern, denkt an eure Mutter, eure Vater. Seid dankbar für diese beiden Hälften. Es müssen nicht die leiblichen Eltern sein – auch Stiefväter, Mütter, oder männliche und weibliche Vorbilder.“ Sie macht wieder eine Bewegungen mit der Hüfte. Ich ertappe mich dabei das ich auf meinem Hocker auch eine 8 mit der Hüfte machen will.
„Beim Bauchtanz verbinden wir uns mit diesen Hälften. Es gibt Bewegungen, die unsere ganze Geschichte erzählen. Komm doch vorbei in unserer Schule und schau dir das Mal an.“
Ich bin fasziniert und mittlerweile ist die Messehalle am Pueblo Espanyol in Palma leer. Wir sind die letzten. Eigentlich schade, denn ich möchte mehr von Helwa erfahren. Ich werde ihrer Einladung folgen und euch dann mehr von der Geschichte der Bauchtänzerin erzählen und vielleicht ein bisschen Bauchtanz lernen.
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Hast Du Fragen an Helwa, die ich mit zu unserem nächsten Treffen nehmen soll? Wenn ja – hinterlasse hier einfach einen Kommentar mit deiner Frage.
Bauchtanz ist eine Gabe, aber auch wenn man als nicht übermäßig talentierte Frau mit orientalischem Tanz beschäftigen möchte, wird man viele neue Seiten bei sich finden, der Tanz und die Musik sind Meditation, Erotik, Sport und Freiheit. Vielleicht sollte man einfach wieder damit anfangen!
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